„Ich freue mich darauf, die Kinder wieder durch die Schule flitzen zu sehen“ – Interview mit Evelina Winter

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Mit Spiel und Spaß wird beim Sommercamp Deutsch geübt (Foto: Toni Mader)Toni Mader

Evelina Winter stellt das ‚Sommercamp‘ vor, ein Projekt des Lehrstuhls für Didaktik des Deutschen als Zweitsprache, der Stadt Nürnberg und der Bürgerstiftung

Spiel, Spaß und Sonne – so sollten die Sommerferien für Kinder aussehen. Damit auch ‚Daheimgebliebene‘ aktiv sein und etwas erleben können, bietet die Stadt Nürnberg gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Didaktik des Deutschen als Zweitsprache und der Bürgerstiftung jedes Jahr in den ersten beiden Wochen der Sommerferien ein Sommercamp an.

Evelina Winter, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Didaktik des Deutschen als Zweitsprache, ist pädagogische Leiterin und Organisatorin des Sommercamps, das dieses Jahr unter dem Motto ‚Natur und Lunst‘ am 2. August startet. Im Interview stellt sie das Projekt vor und verrät, warum sie das Konzept des Sommercamps begeistert.

Liebe Frau Winter, können Sie das Sommercamp kurz vorstellen?
Evelina Winter, Pädagogische Leiterin des Sommercamps (Foto: Toni Mader)

Evelina Winter: Ja, sehr gerne. Das Sommercamp gibt es seit 2005 und es nimmt mittlerweile einen festen Platz im Ferienprogramm der Stadt Nürnberg ein. Jedes Jahr stellen wir ein ansprechendes Angebot auf die Beine, das inhaltliche Konzept kommt dabei von unserem Lehrstuhl, die Bürgerstiftung leistet finanzielle Unterstützung und die Stadt Nürnberg bewirbt das Camp in seinem Ferienprogramm, nimmt die Anmeldungen der SchülerInnen entgegen und stellt uns das Martin-Behaim-Gymnasium zur Durchführung zur Verfügung. Es ist ein erfolgreiches Kooperationsprojekt, an dem wir alle gemeinsam arbeiten.

Wer kann mitmachen?

Evelina Winter: Also erstmal natürlich alle Kinder zwischen 8 und 12 Jahren, mit und ohne Migrationshintergrund, da das Programm zur motivierenden, sprachlichen Förderung dient. Wir wollen vor allem Kinder abholen, die Deutsch als Zweitsprache lernen.

Für uns gibt es drei wichtige Säulen, auf denen das Konzept basiert. Das sind zum einen die Schülerinnen und Schüler, die im Rahmen des Ferienprogramms mit interessanten Inhalten sprachlich gefördert werden sollen. Außerdem die Studierenden, die hier die Möglichkeit haben, ihre Kompetenzen zu erweitern, also zum Beispiel zum ersten Mal, eigenverantwortlich Unterricht vorzubereiten und zu halten. Wir bieten auch eine Begleitveranstaltung an, um sie dabei zu unterstützen. Und als dritte Säule haben wir die Forschung zu Spracherwerb und -vermittlung, wie etwa der Umgang mit textlosen Bilderbüchern, Hinführung an die naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweise, Aushandlungsprozesse in Gesprächen über Musik. Wir arbeiten mit dem Lehrstuhl für pädagogische Psychologie zusammen und dürfen deren Studio-Klassenzimmer nutzen. Auf diese Weise wird das Projekt nicht nur evaluiert, sondern wir gewinnen empirische Erkenntnisse zu Lehr-Lernprozessen von mehrsprachigen Schüler*innen. In diesem Rahmen hatte ich ebenfalls die Möglichkeiten im Sommercamp 2019 Daten für meine Dissertation zum Zugang der Schüler*innen im Umgang mit textlosen narrativen Bilderbüchern zu erheben. Weiterhin bieten wir auch den Studierenden die Möglichkeit, die hier erhobenen Daten für ihre Zulassungsarbeit zu nutzen.

Das Sommercamp ist aber auch ein interdisziplinäres Projekt, an dem weitere Fachdidaktiken, wie Biologiedidaktik, Geschichtsdidaktik, Kunst- oder Musikpädagogik beteiligt sind. Jedes Jahr führen wir die Kinder an naturwissenschaftliche Arbeitsweisen heran, beleuchten verschiedene Themen aus der historischen Perspektive. Es gab auch mal ein Sommercamp mit dem Motto ‚Musik liegt in der Luft‘, bei dem mit Musik die Sprachförderung angeregt wurde. In diesem Jahr liegt der Fokus beispielsweise auf Kunst. So entstehen unterschiedliche Projekte und das macht das Programm für die Kinder abwechslungsreich und für unsere Forschung so wertvoll.

Welche Aufgaben haben Sie in dem Projekt?

Evelina Winter: Ich habe die pädagogische Leitung inne, betreue die Studierenden, organisiere die Vorbereitungskurse und auch das Camp selbst, führe Evaluationen durch und schreibe den Abschlussbericht. Ich bin also von Anfang bis Ende eingebunden (lacht). Die wissenschaftliche Leitung liegt in den Händen von Prof. Dr. Magdalena Michalak.

Wie wichtig ist das Angebot in der Zeit der Covid-19-Pandemie?

Evelina Winter: Wichtiger denn je! Die Kinder waren viel zuhause, hatten keinen Sportunterricht und auch Kulturangebote kamen viel zu kurz. Letztes Jahr ist das Sommercamp ausgefallen, da hatten wir als Thema ‚Welt der Technik‘ geplant. Von der Idee, dieses Jahr das Thema nachzuholen, sind wir abgekommen, denn die Kinder hatten die letzten Monate unheimlich viel mit Technik zu tun. Deswegen haben wir uns für das Thema ‚Natur und Kunst‘ entschieden, zwei Bereiche, die definitiv zu kurz kamen und die wir jetzt kreativ abdecken möchten.

Und das Sommercamp findet jetzt in Präsenz statt?

Evelina Winter: Ja, auf jeden Fall. Präsenz ist wichtig, um die vier Grundkompetenzen einer Sprache Hören, Lesen, Schreiben und Sprechen gleichermaßen zu fördern. Beim Onlineunterricht hatten die Kinder keinen Austausch untereinander, weil die ganze Kommunikation, die in der Schule und im Klassenzimmer stattfindet, weggefallen ist.

Daher konzentrieren wir uns jetzt darauf, dass die Kinder viel aktive Zeit miteinander verbringen und sich rund um das Thema ‚Natur und Kunst‘ austauschen. Dabei wollen wir mit den Kindern verschiedene Naturmaterialien sammeln, diese aus biologischer Sicht erforschen und Kunstwerke daraus bauen. Wir gehen den Fragen nach: Wie entsteht ein Kunstwerk aus dem Wald? Warum sehen Insekten in der Natur anders aus als in einem Bilderbuch? Was haben wir Menschen aus der Natur für die Forschung übernommen? Spielerisch und mit viel Spaß am Forschen machen wir uns auf die Suche nach den Antworten auf all diese Fragen.

Wie wird das Projekt in der Region aufgenommen?

Evelina Winter: Von Eltern und den Kindern erhalten wir viel positives Feedback. Das Sommercamp hat wohlgemerkt nichts mit einer ‚Sommerschule‘ zu tun, nein, das Angebot ist niedrigschwellig und mit viel Spiel und Spaß verbunden. Allein schon, dass Kinder drei Jahre hintereinander am Sommercamp teilnehmen, zeigt, dass sie Spaß haben und gerne kommen.

Nach Monaten des Homeschoolings werden die Kinder mit dem Motto „Natur und Kunst“ gefördert, kreativ zu sein (Foto: Toni Mader)

Für die Eltern ist es eine große Entlastung, zu wissen, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind und zusätzlich gefördert werden. Auch von Lehrkräften oder Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe bekommen wir Anfragen, wenn sie bestimmte Kinder im Blick haben, die von dem Programm besonders profitieren können.

Außerdem nutzen wir das vielfältige Kulturangebot, das Nürnberg und die Region zu bieten haben, und binden außerschulische Lernorte mit ein. Je nach Thema besuchen wir das Germanische Nationalmuseum, den Tiergarten oder auch Bauernhöfe. Es geht darum, dass die Kinder auch in der Region ankommen und zahlreiche Freizeitangebote kennenlernen, die sie außerhalb des Sommercamps selbst in Anspruch nehmen können.

Worauf freuen Sie sich dieses Jahr beim Sommercamp am meisten?

Evelina Winter: Ganz einfach, dass es wieder stattfinden kann (lacht). Ich freue mich für die Studierenden, weil sie, wie wir von der Organisation, schon weit im Voraus viel Zeit und Arbeit investieren und es letztes Jahr leider ausgefallen ist. Es ist für sie eine tolle Chance, Praxiserfahrung zu sammeln, Feedback für ihren Unterricht zu erhalten und auch an Forschung beteiligt zu sein.

Die Förderung der Schülerinnen und Schüler, das Engagement der Studierenden und die Forschung –  das Konzept lebt davon, dass diese drei Komponenten ineinandergreifen. Mit Spiel und Spaß Inhalte verschiedener Fächer zu vermitteln, dabei sprachfördernd zu agieren und das alles so zu gestalten, dass nicht nur Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, sondern alle davon profitieren, ist eine Herausforderung, aber auch der größte Pluspunkt des Sommercamps. Dadurch entstehen auch Austausch und Vernetzung mit anderen Lehrstühlen, man lernt andere Denk- und Herangehensweisen kennen und kann über den Tellerrand des eigenen Fachs schauen.

Ich freue mich auch für Kinder, denn sie waren die Leidtragenden der Pandemie und es ist wichtig, sich jetzt umso mehr um sie zu kümmern. Wir essen zum Beispiel gemeinsam zu Mittag, das finde ich sehr schön und wichtig. Es ist eine Besonderheit des Projekts und trägt in großem Maße dazu bei, dass sich in den zwei Wochen eine Gemeinschaft entwickelt. Das wieder zu leben, ist nach der langen Zeit von Social Distancing und Entbehrungen, schon sehr schön.

Ich freue mich ganz einfach darauf, die Kinder wieder durch die Schule flitzen zu sehen!

Vielen Dank für das Interview!

Wer Lehramt studiert und im nächsten Jahr beim Sommercamp mitwirken möchte, kann sich gerne an Evelina Winter wenden.

https://www.didaz.phil.fau.de/forschung/aktuelle-projekte/sommercamp

Eltern finden hier weitere Informationen zum Sommercamp und den Teilnahmebedingungen für Kinder:

http://www.buergerstiftung-nuernberg.de/projekte/eigene-projekte/sommercamp.html